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Bratwurst

Januar:
In diesem Monat ist gut Bratwürst essen und Könige krönen. (Practica practucarum)

Zwar will der "Neuvermehrte Curicuse Antiquarius" des Herrn Berckenmeyer (Hamburg 1798), wissen, dass die Cremoneser die Bratwürste erfunden hätten; allein wir wollen lieber den Thüringern diesen Ruhm geben.

Zum erstenmal werden diese saftigen, kastanienbraunen, mit Kümmel gewürzten Würste im Jahre 1613 in Thüringen urkundlich bezeugt und schon im Simplizissimus des Grimmelshausen (3, 299/2) werden sie Koburgisches Nationalgericht genannt. Gewiss ließe sich noch eine frühere Quelle ausfindig machen, den beinahe alle größeren Städte Thüringens streiten sich um die Ehre, die besten zu erzeugen.

Der Duft dieser auf dem Rost gebratenen Würste fehlt auf keinem Festplatz; aber er zieht sich auch an allen Sommerabenden von Weißenfels über das ganze Thüringer Land hin; einladend steigt er auf aus den Wirtshaus- und Privatgärten. Sonntags besonders, aber auch am Freitag, wenn der Arbeiter seinen Wochenlohn heimbringt; vielfach gilt deshalb der Freitag als "Bratwursttag". Feinschmecker gibt es, die genau kontrollieren, ob die Wurst auf Wachholder- oder Tannenreisig geröstet worden ist. Kiefernzapfen geben einen geschätzten, leicht harzigen Duft. Die Roststäbe werden mit einer Speckschwarte eingerieben, damit die Würste nicht anhängen.

Arno Holz geht in seiner "Blechschmiede" so weit, dass er verkündet:
"Auch gäb ich das ganze Ägäische Meer
mit Vergnügen für eine Bratwurst her."

Besondere Verbreitung erfuhr die Bratwurst in der Biedermeierzeit. Die Bürger kauften sich einen "Berg" und vor den Berghäusern legten sie ihren Bratwurstrost an, um beschaulich höchst eigenhändig die Zubereitung zu betreuen.

Nicht urkundlich bestätigt hat sich die mündliche Version, dass 1920, als Koburg an Bayern kam, eigens vertraglich festgelegt worden sei, dass die auf bayrisches Gebiet kommenden ortsfesten Bratwurstroste erhalten bleieben müssten. Das im Koburger Archiv verwahrte Schlussprotokoll zum Anschlussvertrag enthält nichts dergleichen. Die Freundlichkeit des Herrn Dr. Heins, dem Leiter des Koburger Heimatvereins, verdanken wir den Hinweis, dass sich aber im Koburger Land noch verschiedene ortsfeste Bratwurstroste an beliebten Ausflugsorten befinden, die aus der Zeit stammen, da Koburg noch zum Gebiet des vormaligen Herzogtums Coburg gehörte. Solche Roste stehen am Herzogsbrunnen, an den Hofmannsteichen, am Kühleborn, am Kupferbrunnen und an der "Bratwurteiche". Andere Roste sind leider im Laufe der Zeit verschwunden.

Seine Rostbratwürste vermisst der Thüringer besonders schmerzlich, wenn er in der Fremde ist:
"Was mer an merschten ande that,
Un's Schlimmste war von Dönge,
des ech in käner änzgen Stadt
konnt änne Bratworscht fönge.
Ech kröcht ä Döng un Brih derbei
das sollte ääne Bratworscht sei!
Ech hatt schon an Geroche satt -
's giht doch nischt iber Rudelstadt!
(Anton Sommer)

Heute jedoch treten die Thüringer Rostbratwürste de Weg an über Länder und Meere. Fachmännisch auf dem Rost gebraten und sorgfältig in Schmalz eingelegt, bewahren sie in ihren flachen Blechdosen die volle Frische und Zartheit des Geschmacks. Und wenn sie dann irgendwo in Ostasien oder Afrika von der Pfanne kommen, denkt sicherlich kein Uneingeweihter daran, dass er eine "Konserve" vor sich hat. Auch der Feinschmecker dürfte darauf hereinfallen, wenn ihm beim Auftischen versichert wird "frisch vom Rost".

"Auf flämische Art"

Den "Thüringern" taten es wohl nur noch die flämischen Bratwürste gleich, die "Fämischen Hillen", die auch Fischart erwähnt. Kaiser Karl V - als er sich des Regierens müde hinter die Klostermauern von Sant Yuste zurückgezogen hatte und ausgesehnt den Freuden der Tafel sich hingab - ließ als besonderen Leckerbissen eine Bratwurst "auf flämische Art" herstellen. Um das Rezept dazu genau zu erhalten, war vorher ein umfangreicher Briefwechsel über die recht Zubereitungsweise geführt worden. Wir suchen freilich noch die Quelle, der diese Anekdote entstammt, die wir - wie so oft- ohne deren Angaben in der Fleischer-Verbandszeitung vom 19. Juli 1930 fanden.

Bratwurst am St. Johannistag

In Sachsen muss das Bratwurstessen am St. Johannistag untersagt gewesen sein, wie aus einem Landesherrlichen Rescript von 1522 an den Rat der Stadt Oschatz zu entnehmen ist:


"Liebe Getreuen! Nachdem der Baccalaureus infimus uf der Schule bei Euch an verschinen Sankt Johannestage Bratwürste gegessen haben soll, begehren wir ernstlich an Euch empfehlend, daß ihr denselben Baccalauren alsbald gefänglich annehmt und ihn anhero wohlverwahret schickt, auch mit der Sachen dermaßen insgeheim gehet, daß er nit verwarnet werde oder entkomme!"
Als Nota bene merkt Alfred Richard Meyer, dem wir diese Angaben verdanken, an: "Besagter Sonntags-Bratwurstesser wurde in der Tat gefangen gesetzt und hatte sein Vergehen mit erheblicher Haft zu büßen. Waren eben dunnemalen landes-herrliche Zeiten!"

Das Bratwurstmaß

Durch Autopsie konnten wir uns vor Jahren in Jena überzeugen, dass die Thüringer Rostbratwurst eine recht stattliche Größe hat. Sie lag zwischen beiden Hälften einer aufgeschnittenen Semmel und hing zu beiden Seiten och ein gutes Stück darüber hinaus. Aber in Koburg schon soll der Bürger nicht selten in launiger Weise seinem Ärger Luft machen über das Missverhältnis zwischen Semmel und Bratwurst. Er hat sich die kleine Statue eines Männchens mit Szepter auf dem Koburger Rathaus als ein Männchen mit dem Bratwurstmaß gedeutet, denn ihm, dem die Bratwürste eine Lebensbedingung sind, erschient als eine der wichtigsten Aufgaben des Wohllöblichen Magistrats, darauf zu sehen, dass die Bratwürste die gehörige Länge haben. Er hälts mit dem Dichter der da sagt:

"A Bratworscht im Frei'n schmeckt besser als im Haus,
Und wenn se racht lang is, geht nix drüber naus."

Je weiter man nach Süden kommt, je leiner werden die Bratwürste. In Nürnberg kann man dann nur noch von einer "Duodez"-Ausgabe der Thüringer sprechen. Sie sind dort so lang wie ein kleiner Finger und auch so dick nur, aus ueimlich grob zerkleinerten Schweinefleisch, mit Salz, Pfeffer und gerebbeltem Majoran gewürzt. Über ihre Kleinigkeit gibt es manchen Witz.

Einem Wirt des Nürnberger "Bratwurstglöckle", der sich durch besondere Leibesfülle auszeichnete, soll eines Tages durch einen Luftzug ein Fremdkörper ins Auge geraten sein:
Und zwaa Tag klogt er öitza scho,
Er häit im Aug was drinna,
Und wärkli, wöi der Doktor kummt,
Tout der zwaa Wöerschtla finna.
"Döi Klaanigkeiten",fängt er oh,
"Die liuss er drinna, löoba moh,
Dös macht 'm Aug' kann Schod'n!"

Die knusprig-lockeren Nürnberger Rostbratwürstl überzeugen also nicht so sehr durch ihre Größe, um so mehr aber durch ihre Güte. Ein Histörchen, das uns der Nürnberger Photograph Hermann erzählte, weiß davon zu berichten: "Ein gewisser Hans Strohmer, vormals Patrizier und Stadtrichter zu Nürnberg, wurde 1554 zu lebenslänglichem Gefängnis auf dem Luginsland, dem Turm neben der heutigen Jugendherberge, verurteilt. Dieser Strohmer war ein großer Bratwurstliebhaber; Man hat ihm "alle Mahlzeit neben anderer Speis eine Bratwurst aufsetzen müssen". Er war 38 Jahre in diesem Turm eingesperrt und starb daselbst a, 20. Dezember 1592. Ein Chronist hat nun ausgerechnet, dass der Gefangene in diesen 38 Jahren über 28.000 Bratwürste verzehrt hat. Sie müssen also sehr gut gewesen sein, diese Bratwürste, dass sie ihm nicht leid geworden sind.

Anekdoten aus der Welt der Wurst